Komm mit nach Sarrazin!

Komm mit nach Sarrazin,
So lange noch die Rosen blüh’n,
Dort woll’n wir glücklich sein, wir beide ganz allein!
Du bist die schönste Fee, von Debrecin bis Plattensee,
Drum möcht mit dir ich hin nach Sarrazin!“

Die Welt titelt: „‚Minderbemittelte‘ Kuttner faselt von ‚Negerpuppe'“ Die Süddeutsche entschärft: „Ich würde ihr keinen Rassismus bescheinigen.“

Was ist geschehen? Ein Mann, der bei einer Lesung von Sarah Kuttners Buch „Wachstumsschmerzen“ war, hat eine Anzeige gegen die Autorin erstattet mit folgender Begründung: „Sie zog über diese ‚Negerpuppe‘ her, ließ sich über deren 30 Zentimeter große ‚Schlauchbootlippen‘ aus und wiederholte, wie ekelhaft sie diese Lippen fand. Sie habe die Puppe wegschmeißen müssen, weil es kein Sinn gehabt habe, sie zu behalten.“

Ich habe mir die entsprechende Stelle in Sarah Kuttners Buch angeschaut:

„Nichts zu sagen ist allerdings gegen meine Negerpuppe. Ein riesiges Stoffungetüm, ganze achtzig Zentimeter purer, unschuldiger Rassismus mit einem obszön großen Kopf, der so schwer ist, dass er der Puppe immer wieder auf die schmalen Schultern fällt und ihr so permanent einen ergreifend niedergeschlagenen Eindruck verleiht. Als wäre das nicht schon entsetzlich genug, wird das Ganze noch von einem furchterregenden Paar praller, aufgenähter Wurstlippen getoppt. Vollkommen undenkbar, dass so etwas heute noch verkauft würde.“

Was Sarah Kuttner hier schreibt ist kein Rassismus sondern das genaue Gegenteil: Rassismuskritik. Dennoch fällt ihr Ex-Kollege Mola Adebisi über sie her:

„Sarah ist eine Rassistin. Das habe ich selbst zu spüren bekommen (…) Sie wird sich nicht äußern, weil sie die Situation nicht reflektieren kann. Ihr fehlt die emotionale Intelligenz, sie ist minderbemittelt. Sarah Kuttner ist in der Entwicklung stehen geblieben. Ich würde mich freuen, wenn Sie mal Juden-Witze machen würde, dann wäre ihre Karriere nämlich beendet! Aber Türken und Afro-Deutsche leisten nicht den Widerstand. Juden lassen sich keine Beleidigung gefallen.“

Ja, so sind sie die Juden, ganz anders als die Türken, jedenfalls in der Welt von Mola Adebisi. Diese Sätze sind rassistischer und antisemitischer als alles, was ich von Sarah Kuttner gehört habe! Wie konnte es nur soweit kommen, dass Bücher zerissen werden, bevor sie überhaupt gelesen werden?

Ich muss bei dieser ganzen Angelegenheit an Thilo Sarrazin denken, denn das Urteil, er sei ein Rassist, stand für viele auch schon fest, bevor sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ überhaupt auf dem Markt war. Ich kann nur hoffen, dass uns der Fall Kuttner endlich eine Sache lehrt: Wer das Buch nicht gelesen hat, soll still sein, egal ob die Autorin nun Sarah Kuttner, Charlotte Roche, Thilo Sarrazin oder Henryk M. Broder heißt.

Denn meine Leidenschaft,
brennt heisser noch als Gulaschsaft,
Und in der Brust tanzt Herz mir Czardas her und hin!
Komm mit nach Sarrazin,
so lange noch die Rosen blüh’n,
Dort ist die ganze Welt noch rot, weiss, grün!“

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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